Der jüdische Friedhof "Heiliger Sand" in Worms

Judentum und Christentum in Jahrhunderte alter Nachbarschaft   (Worms, sog. "Buber-Blick")
Judentum und Christentum in Jahrhunderte alter Nachbarschaft (Worms, sog. "Buber-Blick")

  Worms hat unter den jüdischen Friedhöfen eine besondere Bedeutung, es gibt keinen älteren in Europa, er geht auf das frühe 11. Jahrhundert zurück. Ein heiliger Park, mächtige alte Bäume, gehauene Stelen seit urdenklichen Zeiten der Witterung ausgesetzt, Rabbinental, Grab des Rabbi Meir, des Rabbi Nathan ben Isaak und vieler anderer jüdischen Gelehrten, Pilgerstätte. Zahllose Wunschzettel der Gläubigen kleben auf den Grabsteinen der Rabbi, verwelken. Und in unmittelbarer Nachbarschaft der Wormser Dom.

 

  Als ich in Worms fotografierte, kannte ich den nachstehenden Text von Martin Buber noch nicht. Gleichwohl, der Anblick ist mir sofort und unmittelbar ins Auge gesprungen, als eine faszinierende Konstellation von Einheit und Gegensatz.

 

 

  „Ich lebe nicht fern von der Stadt Worms, an die mich auch eine Tradition meiner Ahnen bindet; und ich fahre von Zeit zu Zeit hinüber. Wenn ich hinüberfahre, gehe ich immer zuerst zum Dom. Das ist eine sichtbar gewordene Harmonie der Glieder, eine Ganzheit, in der kein Teil aus der Vollkommenheit wankt. Ich umwandle schauend den Dom mit einer vollkommenen Freude. Dann gehe ich zum jüdischen Friedhof hinüber. Der besteht aus schiefen, zerspellten, formlosen, richtungslosen Steinen. Ich stelle mich darein, blicke von diesem Friedhofgewirr zu einer herrlichen Harmonie empor, und mir ist, als sähe ich von Israel zur Kirche auf. Da unten hat man nicht ein Quentchen Gestalt; man hat nur die Steine und die Asche unter den Steinen. Man hat die Asche, wenn sie sich auch noch so verflüchtigt hat. […]

 

  Ich habe da gestanden, war verbunden mit der Asche und quer durch sie mit den Urvätern. Das ist Erinnerung an das Geschehen mit Gott, die allen Juden gegeben ist. Davon kann mich die Vollkommenheit des christlichen Gottesraums nicht abbringen, nichts kann mich abbringen von der Gotteszeit Israels. Ich habe da gestanden und habe alles selber erfahren, mir ist all der Tod widerfahren: all die Asche, all die Zerspelltheit, all der lautlose Jammer ist mein; aber der Bund ist mir nicht aufgekündigt worden. Ich liege am Boden, hingestürzt wie diese Steine. Aber gekündigt ist mir nicht. Der Dom ist, wie er ist. Der Friedhof ist, wie er ist. Aber gekündigt ist uns nicht worden.“

 

– Martin Buber: Theologische Blätter 12 (1933), S. 272 f.

 

 

Neue Bilder Mai und Juni 2014